Beschreibung
Der berühmte Astronom und Astrologe Johannes Kepler (1571-1639) glaubte, dass die Musik eine Seelensprache sei. Er schrieb ihr universale Gültigkeit zu. Analog dazu erlebte er die Astrologie als eine kosmische Sprache und das Horoskop als eine Themenfiguration der individuellen Seele.
Ulrike Voltmer sieht in Kepler den Vorboten einer neuen dynamischen Auffassung von Astrologie, die sich gegen eine abergläubische, fatalistische Deutung einzelner Konstellationen verwahrt. Der Hauptteil des Buches widmet sich den Direktionen. Astrologische Prognoseverfahren können der Autorin zufolge nichts anderes sein als ein Leitfaden zur Entwicklung des Menschen. Das Geburtshoroskop des Menschen ist als eine Motivationsanlage zu verstehen, die erst durch eine dynamische Auseinandersetzung mit der Umwelt in Gang gesetzt wird und so persönlichkeitsbildend wirkt. Ziel ist mit Hilfe der prognostischen Methodik das dynamische Potential einer Geburtsstruktur zu ergründen.
Die Autorin kann für sich in Anspruch nehmen, die astrologische Methodik Keplers wiederentdeckt zu haben. Endlich ist das langersehnte Buch erschienen, auf das viele seit Voltmers erstem Artikel über Keplers Wallenstein-Horoskop (1988) gewartet haben.
Die Autorin hat Keplers Methode akribisch analysiert und seine weltberühmten Wallenstein-Horoskope nachvollzogen. Dabei hat sie erstaunliche Entdeckungen gemacht: Kepler hat rhythmisch gedacht, die Entwicklung der Gestirnkonstellationen nach der Geburt eines Menschen hat er für seine Deutungen als grundlegend erachtet, selbst für Charakterbeschreibungen und für die Vermutung, dass der damals noch junge unbedeutende Wallenstein ein Mann der Weltgeschichte werden könnte. Zudem hat Kepler seine Methode innerhalb der 17 Jahre, die zwischen seinem ersten und zweiten Wallenstein-Horoskop liegen, überarbeitet. Ein Missverständnis Wallensteins bezüglich einer Altersangabe hat Kepler genutzt, die von Wallenstein gewünschte Geburtszeitkorrektur mittels einer veränderten Direktionsberechnung durchzuführen. Und diese neue Methode vervollständigt nach Auffassung der Autorin das Verstehen einer Biographie.
Nicht nur die Astronomie verdankt Kepler ihre wissenschaftlich revolutionierenden drei ‘Kepler’schen Gesetze’, auch die Astrologie profitiert von Keplers Genialität. Doch bis heute ist sein astrologisches Werk nicht entsprechend ausgewertet worden. Erstmals ist dies für die Astrologie nachgeholt worden. Ulrike Voltmer sieht Kepler auch für eine moderne Astrologie als grundlegend an, denn er vertrat eine rhythmische Auffassung von Astrologie und dort sieht die Autorin die Zukunft der Astrologie. Kepler sprach bei der Prognose von “himmlischen Gezeiten” und verwahrte sich dagegen, ‘Partikularia’ zu prophezeien. Spannend zeigt sie dies an der Biographie Wallensteins, die sie astrologisch mit Hilfe der Kepler’schen Verfahrensweise untersucht, die sie in einigen Punkten erweitert hat – nicht nur, indem sie die Transsaturnier Uranus, Neptun und Pluto sowie den kleineren Chiron mit berücksichtigt hat.
Für die Autorin dienen Prognosemethoden dazu, Motivationspotentiale zu entdecken. So kann jeder die astrologische Prognose für den eigenen Entwicklungsweg nutzen. Die Leser können bei der Beschäftigung mit diesem Buch selbst die Überzeugungskraft spüren, die Keplers Methode bei der Untersuchung und dem Nacherleben einer Biographie ausübt. “Das Leben wird verstehbar und entwicklungsfähig und: “Keplers Methodik stimmt”, das ist die Essenz, die die Autorin aus ihren Untersuchungen herausgezogen hat.
Ein unentbehrliches Buch für alle, die mehr über Prognose, Biographiearbeit oder Geburtszeitkorrektur wissen möchten.
Ulrike Voltmer absolvierte ein künstlerisches (Klavier und Gesang) sowie ein wissenschaftliches Studium (Musikwissenschaft, Philosophie, Psychologie). Lehr-und Konzert-Tätigkeit, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen. Seit 1967 Beschäftigung mit Astrologie, 1991 – 1995 1.Vorsitzende des Deutschen Astrologen-Verbandes e.V. Autorin zahlreicher Artikel (u.a. über Musik, Astrologie, Johannes Kepler) und der Bücher “Gestaltastrologie” und “Lebendige Astrologie”. Gemeinsam mit ihrem Mann realisierte sie den Film “Bildhafte Astrologie”, zu dem sie Idee und Drehbuch lieferte. Nach seiner Präsentation auf der Filmmesse in Cannes erwarben mehrere ausländische staatliche Fernsehanstalten die Senderechte. Vortrags- und Kurstätigkeit im In- und Ausland. In den sich ergänzenden Büchern “Gestaltastrologie – Die 12 Tierkreis-Prinzipien in der Natur” und “Lebendige Astrologie – Raum und Umwelt in den 12 Horoskop-Feldern” hat Ulrike Voltmer ihre langjährige Kurserfahrung und Unterrichsmethode festgehalten. Fortgeschrittene finden darin zudem ein Nachschlagewerk astrologischer Berechnungsgrundlagen und Bedeutungen (Analogien). Der Film “Bildhafte Astrologie” entstand an ca. 50 Drehorten- vom Pazifik bis zu den Alpen. Die Harmonie von Bild, Wort und Musik spricht das sinnliche Erleben und die Gefühlswelt der Lernenden an. Spielszenen des bekannten Pantomimen JOMI stellen die Bezüge zum menschlichen Charakter her.
Leseprobe:
Ulrike Voltmer
Rhythmische Astrologie
Johannes Keplers Prognose-Methode aus neuer Sicht
Inhalt
Vorwort
1 Komponist Kosmos – und der Mensch schwingt mit
1.1 Drei astro-musikalische Analogiegeschichten
1.1.1 ‘Lebens-Interpret’ und ‘Astro-Pädagoge’
1.1.2 Lebens-künstlerische Ausstrahlung
1.1.3 Astro-musikalische Lebenskunst
1.2 Drei Gedankenpuzzles zur astro-musikalischen Lebenskunst
1.2.1 Irdisches Orchester
1.2.2 Musikalisches Miteinander
1.2.3 Kreatives Leben
2 Konstellation, Schicksal und Prognose
2.1 Objekt der Deutung
2.2 Mensch und Schicksal
2.3 Die Bedeutung von “schicksalhaften” Konstellationen
3 Prognose-Methoden und ihre Überprüfung
3.1 Bewusstseinsniveau – Verantwortung des Astrologen
3.2 Prognose-Verfahren
3.2.1 Transite
3.2.2 Solare
3.2.3 Lunare
3.2.4 Sekundäre
3.2.5 Tertiäre
3.2.6 Primärdirektionen
3.3 Metagnose – Prognose
3.4 Das Problem der exakten Geburtszeit
3.5 Beschränkung auf das Wesentliche
3.6 Methoden und ihre Begründung
3.7 Notwendiger Dialog
3.8 Meine abenteuerliche Suche
3.8.1 Sekundärdirektionen der Planeten
3.8.2 Progressive Achsen
3.8.3 Primärdirektionen
3.8.4 Resümee
4 Zur Prognosemethode Johannes Keplers
4.1 Keplers Wallenstein-Horoskope 1608 und 1625
4.1.1 Prognostische Treffer
4.1.2 Blinddiagnose
4.1.3 Keplers Sonnenzeit- und Mondphasen-Direktion
4.1.4 “Wahre” Sonnenzeit – Sonnenbogen in AR
4.2 Direktionen im Wallenstein-Horoskop I (WH I)
4.2.1 Tabellen zu den Direktionen
4.2.2 Keplers Ausführungen zu den Direktionen
4.3 Wallenstein-Horoskop II (WH II)
4.3.1 Keplers Geburtszeitkorrektur
4.3.2 Berechnung der korrigierten Radix
4.3.3 “Revolutionen” ab 1624
4.3.4 Das Todesjahr Wallensteins, 1634
4.3.5 “Himmlische Gezeiten” – “Partikularia” stehen nicht im
Horoskop
4.4 Wallensteins Radix
4.4.1 Prognostizierter Charakter
4.4.2 Keplers Deutungskriterien
4.4.3 Warnung vor Stundenastrologie
4.5 Vorzüge der Keplerschen Methode – eine Zusammenfassung
4.5.1 Konsequenz
4.5.2 Überprüfbarkeit
4.5.3 Beschränkung auf das Wesentliche
4.6 Zur ‘primären’ Fundierung der Direktionen
4.6.1 Der Direktionsschlüssel ‘1 Tag = 1 Jahr’
4.6.2 Keplers Umgang mit den Achsen, Lichtern und Mondknoten
4.6.3 Gibt es den ‘wahren’ Mond?
5 Biographiebetrachtungen an Wallensteins Horoskop
– Untersuchung der Keplerschen Methode
5.1 Das Leben Wallensteins
5.1.1 Wer war Wallenstein?
5.1.2 Wallensteins Verhältnis zur Astrologie
5.1.3 Der junge Baron Waldstein
5.1.4 Magnat in Mähren, 1609 – 1619
5.1.5 Böhmischer Aufstand: Beginn des Dreißigjährigen Krieges,
1618 – 1622
5.1.6 Friedland; 1623 – 1626
5.1.7 Aufstieg zum Reichsfürsten in Mecklenburg; 1627 – 1630
5.1.8 Absetzung
5.1.9 Das zweite Generalat: 1632 – 1634
5.2 Wallensteins Biographie und die Kepler-Direktionen
5.2.1 Kurzdarstellung der Keplerschen Methode
5.2.2 Biographie-Tabelle Wallensteins und Kepler-Direktionen
5.2.3 Die markanten Eckpunkte im Leben Wallensteins
5.2.4 Chronologische Erörterung der Biographie-Tabelle
5.2.5 Aspekte zu den Achsen?
5.3 Das dynamische Potential der Wallensteinschen Nativität
5.3.1 Dynamische Analyse der Radix
5.3.2 Wiederholungskonstellationen
5.3.3 Transite der Langsamläufer
5.3.4 Dynamische Analyse der Progressionen
6 Planeten-Direktionen und Direktions-Horoskope
6.1 Primäre Planeten-Direktionen mit dem SBAR
6.1.1 ‘Direktes’ versus ‘converses’ Dirigieren
6.1.2 Überlegungen zu den primären Mond-Direktionen
6.1.3 Planeten pr in SBAR auf der Ekliptik
6.1.4 Primäre Planeten-Direktionen im Leben Wallensteins
6.1.5 Resümee
6.2 Sekundär-Direktionen
6.2.1 Die Tages-Sekundär-Achse
6.2.2 Zur Bedeutung der Bewegung
6.2.3 Sekundär-Direktionen der Wallensteinschen Nativität
6.3. Direktions-Horoskope
6.3.1 Berechnung der Direktionen am Beispiel von Wallensteins
Tod
6.3.2 Das progressive Direktions-Horoskop der Ermordung
Wallensteins
6.3.3 ‘Regressive’ Direktionen
6.3.4 ‘Regressiv’ der Ermordung Wallensteins
7 Die solare Ausrichtung der Astrologie
7.1 Die Ekliptik als Grundlage
7.2 Keplers Vorstellung von einer Erdseele als (Tier-)Kreis
7.3 Die Transite und ihr solares Fundament
7.4 Das Solar, die eigentlich “solare” Prognose-Methode
7.5 Die solare Grundlage der Direktionen
7.5.1 Sekundär-Direktionen
7.5.2 Das Problem der Sekundär-Achsen
7.5.3 Direktionen nach Kepler
7.5.4 Planetare Sonnenbogen-Direktionen in AR
7.6 Solare Resonanzen
7.7 Johannes Kepler: “Schlußbetrachtung …”
- Anhang
-
- Rektifikation der Geburtszeit – am Beispiel des Wallensteinschen Horoskops
- Der Weg einer Rektifikation
- Rektifikation der Geburtszeit – am Beispiel des Wallensteinschen Horoskops
-
-
- Geburtszeit-Korrektur von Wallensteins Radix
-
8.2 Literaturverzeichnis
8.3 Abkürzungen
Vorwort
In den drei Jahrzehnten intensiver Beschäftigung mit der Astrologie und deren Prognosemethoden hat sich meine Haltung diesem Gebiet gegenüber verändert. Zum einen richteten sich meine Überlegungen immer wieder auf die Machbarkeit von Prognosen, zum anderen auf die ethische Vertretbarkeit solchen Tuns. Zwischen dem Glauben an ein Vorhersagen-Können von Schicksal und der Ablehnung irgendwelcher prognostischer Aussagen schwankte meine Einstellung. Erst ein kritisches Durchdenken, Beobachten und Suchen führten mich zu meiner heutigen Sichtweise: Erstens können konkrete Aussagen schon allein aus Gründen des Aufbaus und des Verfahrens einer astrologischen Deutung nicht aus einem Horoskop herausgelesen werden. Die Astrologie verfügt über eine Symbolsprache, die erst auf bestimmte Zeit- und Kulturverhältnisse bezogen werden muss und die in eine gesprochene Sprache der in verschiedenen Verhältnissen lebenden Menschen zu übersetzen ist. Die Geschehnisse des Lebens “stehen” als solche nicht in einem Horoskop.
Zum zweiten ist meiner Auffassung nach das Schicksal nicht in einer unveränderbaren Form festgelegt. Diese Meinung vertrete ich ganz unabhängig von einem Horoskop. Meine Erfahrung zeigte mir, dass der Mensch sein Leben gestalten und seine Anlagen und Lebensthemen mehr oder weniger kreativ leben kann. Doch die Lebensaufgaben scheinen in einer gewissen abstrakten Form determiniert zu sein und dies auch im zeitlichen Sinn und zwar in Form tief motivierter innerer Bedürfnisse, Stimmungen und Interessen. Um die Art und Zeitlichkeit der inneren Motivationen und Aufgaben zu erkennen, dafür können die astrologischen Interpretations-Verfahren wertvolle Hilfestellung geben, doch mehr auch nicht. Allerdings sind genau diese tiefen Motivationen und Antriebe Gestalter unseres Willens und stellen insofern eine menschliche Instanz dar, die uns unbewusst steuert, wenn wir unser Wollen und Handeln nicht hinterfragen. Astrologie kann Hilfestellung geben, den Beweggründen unserer Reaktionen und Antriebe auf die Spur zu kommen, kann Hilfe zur Selbsterkenntnis sein.
Heute arbeite ich mit einer bestimmten prognostischen Methodik, mit deren Hilfe ich das dynamische Potential einer Geburtsstruktur zu ergründen suche, das offensichtlich zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Themenschwerpunkte bereithält. Ich habe den Eindruck, dass bestimmte Lebensthemen und -aufgaben durch innere unbewusste Motivationen ausgelöst werden, die durch kosmische Rhythmen bedingt sind. Diese inneren Motivationen sind es, die den Lebensthemen den Boden bereiten, indem in ihm verschiedene zunächst unbedeutende alltägliche Geschehnisse, sog. Zufälligkeiten, Wurzeln schlagen können und die sich dann später – aus der Rückschau – als die lebensbestimmenden großen Zufälle erweisen können. Motivationen äußern sich vielleicht in Wünschen und Bedürfnissen, in Stimmungen und Sehnsüchten, und diese führen wiederum zu bestimmten Kontakten und Beziehungen.
Hier soll kein fertiges Konzept vorgeführt werden, ich möchte die Leser und Leserinnen einladen, mit mir gemeinsam eine gewisse Wegstrecke an Überlegungen mitzugehen, um schließlich meine Darstellungen selbst überprüfen zu können. Wenn ich auch heute kein Geburts-Horoskop mehr deute, ohne die prognostischen Verfahren mit einzubeziehen, so heißt das gerade nicht – wie ich oben dargelegt habe – dass ich etwa an ein festgelegtes Schicksal glauben würde. Es kann nicht um Voraussagen irgendwelcher ‘Ereignisse’ gehen, vielmehr muss ein Leben und die Radix (lat.: Wurzel bzw. Geburtshorokop) des Lebenseintritts eines Individuums als ein Geflecht von Anlagen aufgefasst werden, die sich erst im Lauf der Lebenszeit auffalten und entwickeln. Insofern stellt die Radix eine Antriebsstruktur dar, die in sich schon rhythmische Muster enthält – zeitliche Entfaltungsqualitäten. Um diese erkennen zu können, um sie inhaltlich füllen und zur sinnvollen Entfaltung bringen zu können, dazu sind die prognostischen Verfahren von Nutzen.
Transite sind die bekannteste Methode; den Direktionen haftet bis heute der Makel einer fatalistischen Ereignisdeuterei an. Doch diese Sichtweise ist falsch. Direktionen sind nicht als punktuelle Konstellationen anzusehen, sie stellen zeitlich sich entwickelnde Grundmuster der Radix dar.
Der Weg zu dieser Einsicht verlief über meine Beschäftigung mit dem Werk Johannes Keplers (1571 -1630), dem bedeutenden Astronomen und Schöpfer der nach ihm benannten drei “Keplerschen Gesetze”. Doch er war auch Astrologe, und dies nicht nur zum Gelderwerb, wie oft fälschlich behauptet wird. Er hat sich vielmehr intensiv mit den astrologischen Verfahren seiner Zeit auseinandergesetzt und er hat seine eigene wohl durchdachte differenzierte astrologische Methodik entwickelt. Seinem astrologischen Werk gebührt auch heute noch – 400 Jahre nach seiner Entstehung – fachliche Beachtung von Seiten der Astrologen. Was für Kepler bereits Erkenntnis war, ist bis heute bedauerlicherweise vielfach noch nicht ins Bewusstsein der allgemeinen Astrologenschaft vorgedrungen. Unkenntnis astronomischer Sachverhalte ist dabei nicht selten der Grund sowie eine fehlende schriftliche Darstellung seiner Methode und Gedanken. Diesem Mangel habe ich schon vor Jahren, als 1988 der erste Artikel über dieses Thema in der Zeitschrift ‘Meridian’ erschien, abzuhelfen versucht. Jetzt soll dies durch das vorliegende Buch geschehen.
Es geht mir nicht um eine historische Darstellung von Keplers astrologischen Arbeiten, sondern um die Analyse seiner Arbeitsweise und Darstellung seiner philosophischen Überlegungen. Wer sich näher mit der Person und den Werken Keplers beschäftigen will, findet einige Anregungen im Literaturverzeichnis dieses Buchs; das IV.Buch von Keplers “Harmonices Mundi” zu lesen, kann für den aufgeschlossenen Leser zum Erlebnis werden.
Das schon legendär gewordene Wallenstein-Horoskop bzw. Keplers beide Wallenstein-Horoskope stellen in diesem Buch das Herzstück dar. Spannend ist, darin zu verfolgen, wie Kepler gearbeitet hat, wie er seine Methodik innerhalb von 17 Jahren verändert hat. So viele Jahre liegen nämlich zwischen der Anfertigung der beiden Wallenstein-Horoskope.
Wer vollständig Keplers Methode nachvollziehen will, muss die dargelegten Rechnungen mit durchdenken; so ist dann die Methode zu erlernen. Doch wem dies nicht liegt, der kann sich heute, im Computerzeitalter, das Errechnen sparen. Auch im vorliegenden Buch sind die Direktions-Tabellen der nachfolgenden Kapitel nicht mehr von Hand errechnet, sondern unter Rückgriff auf vom Computer erstellte Berechnungen.
Hier sei mein Dank Karl-Heinz Dotter und Peter Fraiss, Wien, ausgesprochen, die meine Arbeit über lange Jahre mit Aufmerksamkeit begleitet haben, und die die dazu notwendigen Programmierungen (s. Literaturverzeichnis) vorgenommen haben. Der rechnerisch eher uninteressierte Leser kann getrost die Rechenanleitungen überschlagen und gegebenenfalls auf Computerprogramme zurückgreifen, die mittlerweile recht komfortabel sind.
Mit musikalischen, ‘leicht humoristischen’ Analogie-Geschichten versuche ich, auf das Thema einzustimmen. Es geht mir darum, das schwere Thema ‘Kepler’ für die heutige Zeit zu erschließen und in seiner für den suchenden Menschen hilfreichen Seite darzubieten. Zu Beginn des Buches stehen Vergleiche des menschlichen Lebens – den Höhen und Tiefen, Einschnitten und Phasen – mit dem Verlauf eines Musikstücks. In der Tradition Keplers stehend, ziehe ich in metaphorischer Weise Parallelen zwischen den sich bildenden Konstellationen und den musikalischen Verhältnissen in einem Musikstück.
Kepler glaubte, dass die Musik eine Seelensprache sei. Er schrieb ihr universale Gültigkeit zu. Analog dazu erlebte er die Astrologie als eine kosmische Sprache und das Horoskop als eine Themenkonfiguration der individuellen Seele. Anhand seiner Forschungen zur menschlichen Harmonie-Empfindung der Musik ließ er sich zu astronomischen Überlegungen anregen. Er wollte die inneren Gesetze der Harmonien der Welt (vgl. KEPLER 1618: Harmonices Mundi) entdecken und forschte dazu im Bereich aller möglichen Strukturbildungen, ob in der Musik, den proportionalen Verhältnissen geometrischer Körper oder zeitlicher und räumlicher Bewegungsverhältnisse im Sonnensystem.
In der heutigen Zeit würden wir allerdings weder die Gesetze der Musik noch unsere abendländische Astrologie als solch universale ‘Seelensprache’ ansehen wie dies noch Kepler tat, wissen wir doch um die Kulturen-Vielfalt unserer Erde; denken wir etwa an die unterschiedlichen Musik- oder Astrologie-Systeme der europäischen, chinesischen oder indischen Kultur.
Innerhalb unserer abendländischen Kultur, der auch Kepler angehörte, dürfte jedoch unsere musikalische wie astrologische “Sprache” tatsächlich Gültigkeit besitzen, sind wir doch alle Kinder dieser archetypischen “westlichen Kollektivseele”, besitzen wir doch alle ein “kollektives Unbewusstes”(C.G.Jung), das – meiner Auffassung nach – in seiner Manifestation deutlich kulturabhängige Züge aufweist. Unsere Astrologie selbst stellt ein Deutungssystem des Menschen in Bezug zum Kosmos dar. Weil wir in die westliche Kultur hineinsozialisiert wurden, besitzt jenes für uns Gültigkeit bis in die Bedeutungen der alten “Archetypen” unserer individuellen Psyche hinein, in der die Wendungen und Harmonien unserer abendländischen Musik und Astrologie tief eingegraben sind.
Allerdings – so glaube ich – ist auch dieses System einem Wandel unterzogen. So wie sich in der Kollektivseele einer Kultur langfristig etwas verändert, so werden auch andere kosmische Faktoren als bisher zur Wirksamkeit gelangen oder die Planeten-Bedeutungen werden Schwerpunkt-Verschiebungen in ihrem Deutungsspielraum zeigen können.
Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Das Geschlechter-Verhältnis hat sich verändert, das Leben wird individualistischer; persönliche Entwicklung und Befreiung von Zwängen werden erstrebt, die Selbstverantwortung für das eigene Leben tritt wenigstens bei einem Teil der Menschen stärker ins Bewusstsein, und die Freiheitsansprüche werden größer. Das beinhaltet eine bestimmte allgemeine höhere Bewusstseinsentwicklung, die jedoch von jedem einzelnen Individuum selbst vollzogen werden muss. So wie sich das einzelne Leben über die Zeit entfalten und entwickeln kann, so kann sich auch ein ganzes Kollektiv in seinen erstrebten Werten und Ansprüchen verändern.
Fast könnte man Kepler schon als den Vorboten einer neueren dynamischen Auffassung von Astrologie ansehen. Er versuchte, das Leben im allgemeinen (mundanen) wie im individuellen Sinne zyklisch zu verstehen. Alle seine prognostischen Verfahrensweisen tragen den Charakter des Dynamischen, nicht nur die Transite. Er untersuchte beispielsweise nicht nur einzelne Jahreshoroskope (Solare) unabhängig voneinander, für jedes Jahr getrennt, sondern ganze Zyklen von Solaren. Oder er beobachtete große direktionale Rhythmen und verwahrte sich gegen eine abergläubische fatalistische Deutung einzelner Konstellationen.
Die Krönung seiner Arbeit stellt schließlich sein philosophisches Hinterfragen all des astrologischen Tuns dar. Was setzen wir in der Astrologie stillschweigend voraus, wenn wir in unserer astrologischen Arbeit verfahren, wie wir es tun, wenn wir ein Geburts-Horoskop, eine Radix, berechnen und darauf Transite, Solare und Direktionen beziehen? Kepler erkannte die Kernpunkte dieser Frage nur allzu deutlich; sein genialer Geist versetzte ihn in die Lage, die in dieser Frage enthaltene Problematik klar zu erkennen und zu formulieren. Darauf gehe ich am Schluss meiner Darstellungen in zusammenhängender Form nochmals ein.
Der Hauptteil dieses Buches widmet sich den Direktionen. Sollte der astro-musikalische Beginn in eine neue rhythmische Auffassung der Astrologie einstimmen, in eine Astrologie der Phasen und nicht des ‘statischen Charakters’, so steigt der zweite Teil ein in die Direktionslehre. Sie ist das klassische Verfahren, mit dem man nicht selten eine regelrechte “Ereignis-Astrologie” betrieben hat. Eine solche Einstellung zu den Direktionen versuche ich zu überwinden; alle astrologischen Prognose-Verfahren – eben gerade auch die Direktionen – können nichts anderes sein als ein Leitfaden zur Entwicklung des Menschen. Wenn sie als ein solcher aufgefasst werden, dann werden die prognostischen Systeme sogar zu einem notwendigen Instrumentarium der Astrologie. Die Radix des Menschen wird erst durch ihre zeitliche ‘Auffaltung’ in Gang gesetzt und führt den Menschen zu einer dynamischen Auseinandersetzung mit sich in seiner Umwelt; so wirkt die aufgefaltete Radix, unsere Wurzel (lat. radix = Wurzel), über die Lebenszeit hinweg persönlichkeitsbildend. Welches aber die geeigneten prognostischen oder besser rhythmischen Systeme sein können, die so etwas leisten können, das ist die Ausgangsfrage. Hier zeige ich, wie das überprüft werden kann und nehme den Leser mit auf die Suche nach einem geeigneten Verfahren, das es erlaubt, die dynamischen Muster des Lebens zu erkennen. Bei Kepler konnte ich fündig werden, seine Methodik erlaubt den Schlüssel für das zu finden, was im Laufe der Lebenszeit an Möglichkeiten im Menschen erwacht.
“Da es nun manchen hochberühmten Professoren der Philosophie und der Medizin so vorkommt, dass ich eine neue Lehre, und zwar eine durchaus wahre, einführe, so muß dieses Pflänzchen, zart wie alles Neue, mit aller Sorgfalt gehegt und gepflegt werden, dass es in den Köpfen der Philosophierenden Wurzeln schlägt, dass es nicht in einer allzu großen Feuchtigkeit nichtiger Spitzfindigkeiten erstickt, nicht von den Sturzbächen herkömmlicher Anschauungen weggeschwemmt wird oder im Frost allgemeiner Gleichgültigkeit erfriert. Wenn es mir gelingt, dies zu vermeiden, so fürchte ich mich keineswegs vor den Winden der Verleumdungen, die es knicken, noch vor der Sonne einer ehrlichen Kritik, die es versengen könnte.”
Johannes Kepler
(in ‘Harmonices Mundi’ 1619, IV.Buch, Beginn des VII. Kapitels; zitiert aus der Übersetzung von Max Caspar 1939, S.255)
Abb. 2
Abb. 2: Johannes Kepler 1619/20 (anonymes Bild), Foundation Saint-Thomas, Strasbourg